Was geht, Alter?
Aufbruchstimmung
Das Fernweh ist wieder da! Fast zwei Jahre lang musste es in der Warteschleife ausharren: Corona blockierte alles. Selbst über den Kontakten zu unseren Familien und Freunden schwebte das Damoklesschwert der Infektion. An weite Reisen war gar nicht zu denken. Selbst Willi, meinen ersten Enkel, konnte ich erst in Berlin besuchen, als ich das zweite Mal geimpft und er schon sechs Monate alt war. Willkommene Ablenkung: mein Rentnerjob als Deutsch-Förderlehrer für Migrantenkinder. Kommunikation mit Kids und Kollegium nur mit Maske, aber dennoch Kontakt mit dem Leben.
Aber jetzt keimt die Aufbruchstimmung. Parallel zu den Lockerungen der Schutzmaßnahmen meldete sich der Sommer – und es sieht so aus, als sei er gekommen, um eine Zeitlang zu bleiben. Von unserem Balkon im 5. Stock aus genießen wir herrliche Sonnenuntergänge, die den Himmel vom Westen bis weit in den Norden erleuchten. Wenige hundert Meter entfernt sehen und hören wir die Eisenbahnstrecke von Bochum nach Essen und den Wattenscheider Bahnhof. Jeder startende oder bremsende Regionalexpress und erst recht jeder durchrauschende Intercity lassen unsere Herzen höher schlagen. Wir wissen: Hinter Essen und Bochum hört die Welt nicht auf. Im Winter stimmte uns das eher wehmütig: Wir saßen ja hier fest. Doch bald haben wir Sommerferien – und aufregend werden sie in jedem Fall sein.
In der trüben Zeit des Lockdowns lernten Chrissie und ich noch etwas anderes schätzen: die Videokonferenz. Verabredung zum Zoomtermin. Eine Flasche Wein oder Saft auf dem Tisch, zwei Klicks auf dem iPad oder dem iPhone und wir konnten von Angesicht zu Angesicht schwätzen und diskutieren: mit Verwandten, mit Freundinnen und Freunden, vor allem aber mit unseren iranischen Freunden, die seit Monaten in der Türkei erfolgreich Deutsch lernen. Ankara wird nicht das Ende ihrer Reise sein. Wer die wunderbare Geschichte unserer Freundschaft (nochmal) von Anfang an nachlesen will, startet am besten hier: Der Beginn unserer Freundschaft und macht dann an dieser Stelle weiter: Wiedersehen in Shiraz
Focus Titelstory
Noch etwas ist neu: Rüstige Rentner:innen stehen zurzeit in den Journalen hoch im Kurs – insbesondere, wenn sie reiselustig und/oder kreativ sind. Letztes Jahr im Mai habe ich neben anderen flotten Alten in GEO gestanden, diese Woche brachte der Focus einen langen Beitrag mit dem schönen Titel Was geht, Alter? über die Rolle des Glücks in der zweiten Lebenshälfte. Auf Seite 74 kann mein Konterfei bewundern und eine Zusammenfassung des langen Telefoninterviews lesen. Darin wird auch Christianes Leistung gewürdigt. Ohne sie wäre ich vielleicht auf der Couch verfettet und wäre ich mit Sicherheit nicht mehr nach Troja, Persepolis oder auf die Große Chinesische Mauer gekommen.
Den vollständigen Artikel könnt ihr hier nachlesen: https://www.focus.de/magazin/archiv/titel-was-geht-alter_id_13362733.html
Die letzte Frage der Journalistin lautete etwa so: „Sie sind jetzt 74. Sind Sie zufrieden, sehr zufrieden oder glücklich?“
Spontan wollte ich mit „glücklich“ antworten, doch das Wort wollte mir nicht über die Zunge rutschen. Kann ich mein eigenes Glück wirklich von dem abstrahieren, was in der Welt gerade schief läuft? Kann ich ignorieren, dass nicht alle Menschen so privilegiert sind, weite Reisen antreten zu können? Dass viele Rentner:innen ohne Rollator und Atemgerät nicht mal mehr bis zum Klo kommen? Dass überall in der Welt in diesem Moment Menschen verhungern, verdursten, ertrinken oder umgebracht werden? So ganz schaffe ich das nicht.
Wie geht es weiter?
Aber ist das ein geeigneter Schluss für einen Beitrag in unserem Blog? Nein, denn ich will keine Depri-Stimmung verbreiten. Davon gab es genug in den letzten zwei Jahren. Was ich sagen möchte, hat viel besser schon der DDR-Dichter Heinz Kahlau formuliert:
Wenn sich zwei in ihre Liebe schlagen,
machen sie auch ihre Liebe blind.
Liebe lässt sich nur zu zweit ertragen,
wenn die Türen, die zur Welt gehen, offen sind.
In diesem Sinne: Wir reisen weiter. Noch diesen Sommer. Und wir versprechen: Es wird spannend. Bis bald!
5 thoughts on “Was geht, Alter?”
Hallo, Reinhard,
es bedarf nicht vieler Worte, auf
diese Antwort haben wir gewartet!
Gruß, Heidi und Bodo
Ihr Lieben,
danke für Euren letzten Eintrag im Blog!
Fernweh, Sehnsucht nach Treffen mit lieben Freunden, der Familie und neuen Reiseerlebnissen – das alles musste zurückstehen. Durch Corona und mehrere Lockdowns wurden wir ausgebremst!
Wir können das so gut nachempfinden, nach ca. 8 Monaten genießen wir es, eine kleine Auszeit zu nehmen und sich fast frei in der Natur zu bewegen!
Auch wenn’s schwer gefallen ist, sich einzuschränken und auf Kontakte weitgehend zu verzichten, ist die positive Lebenseinstellung geblieben!
Wie gut, dass Ihr so kreativ seid und auch schon weitere Reisepläne schmiedet. Wir lassen uns überraschen und sind gespannt!
Bleibt gesund und voller neuer Ideen,
mit vielen Grüßen von
Heidi und Bodo
Danke 🙏😀. Und bleibt ihr bitte auch gesund.
selten so ein Bullshit gelesen
Grammatikfehler reizen mich als Pauker aus Tradition zum Widerspruch. Deshalb eine kleine Korrektur: „Bullshit ist maskulin. Es müsste also „einen … Bullshit“ heißen. Ansonsten: In diesem Land darf jeder denken, was er möchte. 😎