Zurück nach Wattenscheid – zum Ende der Welt?
Wir tun, was die Kolleginnen uns raten. Und stellen bei einem Blick auf die Uhr fest, dass uns wieder einmal fast ein halber Tag mit Kokolores verloren gegangen ist.
Nachmittags um vier steuern wir ein schönes Café hinter dem bombastischen Parlamentsgebäude an. Kurz vor dem Ziel klappe ich nochmal mein iPad auf und vergrößere ein Familienfoto auf ihrem Facebook-Account. Keine Frage – wir werden Marianna und Bela wieder erkennen.
Die beiden erwarten uns schon. Was für ein komisches Gefühl, einer Großmutter zu begegnen, mit der ich vor 60 Jahren Teenie-Briefe gewechselt habe! Wir stellen uns gegenseitig vor und erfahren als Erstes, dass auch an diesem Montag keine Post aus Deutschland angekommen ist. Dann setzen wir uns, sind anfangs ein wenig verlegen, aber plaudern dann bei Kaffee und Kuchen über Gott, Trump und die Welt, bevor es um unsere Berufe und unsere Nachkommen geht. Keine große Stunde (Wie denn auch?), aber eine sehr angenehme, am Ende warmherzige Begegnung …
Die Fahrt von Budapest nach München – sehr angenehme 6,5 Stunden in einem bequemen österreichischen Schnellzug.
Draußen zieht eine weite Ebene nach der anderen an uns vorbei – friedliche Herbstbilder.
Und alle 90 Minuten zieht ein höflicher Kellner mit einem Servierwagen durch die Waggons und sorgt dafür, dass die Kaffeefreunde nicht über Entzug leiden müssen. Und keine Grenzkontrolle hindert uns daran, zwischendurch ein Nickerchen zu machen – die EU ist nicht völlig unnütz.
Im Münchener Kopfbahnhof wird es hektisch. Wir haben 17 Minuten Zeit, von Gleis 12 nach 22 zu wechseln, und müssen uns mit unseren Lasten durch ein ziemliches Gedränge kämpfen. Auf Gleis 22 parkt in der Tat ein zweiteiliger ICE, der laut Anzeigetafel nach Dortmund fahren soll – aber auf dem hinteren Teil, den wir zuerst erreichen, zeigen die Waggons noch immer das Fahrtziel München an und fordern den Betrachter auf, nicht einzusteigen.
Ein Bahnmitarbeiter ermuntert uns, den Zug trotzdem zu entern, und wir landen tatsächlich in dem uns schriftlich zugewiesenen Waggon 27. Aber kaum halten wir Ausschau nach zwei freien Fensterplätzen, kommt eine kaum verständliche Durchsage, von denen ich nur den Rest mitbekomme: “ … wird der Zug geteilt.“
Irgendwie nervt es mich. Wer wird abgehängt? Wann und wo?
Einer der Schaffner verpasst mir die richtige Medizin gegen Bluthochdruck: „Sie wollen nach Bochum? Hier sind Sie richtig …“
Okay, wir nehmen Platz, holen tief Luft, warten aber immer noch auf den entscheidenden Besuch des Schaffners. Der taucht aber erst kurz nach Ingolstadt auf, liest sich alles nochmal durch, was wir schriftlich haben, und nickt: „Klar, Sie sind hier richtig. Aber Sie bekommen jetzt von uns eine Rechnung – dagegen müssen Sie innerhalb von 14 Tagen Einspruch erheben. Alles ganz einfach.“
„Und was ist mit den Tickets, die wir in Budapest nachkaufen mussten?“
„Keine Ahnung. Das fragen Sie am besten die Kollegen von der Fahrpreisnachberechnungsstelle.“
Endlich haben wir die Ersatzfahrkarte und die Belege in der Hand und können wirklich entspannen. Bochum, wir kommen!
Dieser Ruf wird gehört. Als wir nach sieben Monaten und dreieinhalb Tagen Abwesenheit in Bochum aus dem Zug klettern, werden wir erwartet: Heidi und Bodo, die besten Nachbarn, die man sich wünschen kann.
Sie haben unseren Blog verfolgt, wussten immer, wo wir waren. Sie waren Paketempfangsstelle, Pförtner für die Wasserableser, haben sich um unseren neuen DSL-Anschluss gekümmert und gemeinsam mit Chrissies Freundin Uschi ein Auge auf unsere Wohnung geworfen. Und nicht nur das: Mir und Chrissie zu Ehren gab es nachts noch einen Geburtstagssekt und ein Dreigänge-Menü – vegan, versteht sich.
Müssen wir noch erwähnen, dass wir erst weit nach Mitternacht den Weg in unsere Betten finden? Zum Glück müssen wir dazu nur wenige Schritte über den Flur laufen. Und kurz vor dem Wegsacken dämmert es uns: Verflixt und zugenäht – wir haben es geschafft! Heil und gesund sind wir (von Pakistan abgesehen) mit Bahn und Bus von Thailand bis Bochum gekommen. Allen Unkenrufen zum Trotz!
Jetzt brauchen wir erst einmal ein paar Tage, um zur Ruhe … Nein, klappt nicht. Die Wohnung muss wieder bewohnbar gemacht werden, wir müssen einkaufen, Wäsche waschen, teure Apps kündigen, Berge von Post bewältigen, Gelder zurückfordern, unsere Konten glatt schleifen – Chrissie möchte am liebsten gleich wieder losfahren. 😉
Chrissie
Soll das nun das Ende von „Rucksack und Rentner“ sein? Nein! Noch nicht. So ganz schnell werdet ihr uns nicht los. Jeder von uns möchte ein persönliches Reisefazit schreiben. Was waren die persönlichen Highlights und Tiefpunkte? In welchen Situationen hat es mal zwischen uns gekracht? Was hat uns zusammengeschweißt? Hat uns die Reise verändert? Und falls ja, wie? Wie geht es nun weiter?
Dazu brauchen wir wirklich etwas Zeit. Und es gibt noch so viel mehr zu erzählen. Wie gut kamen wir eigentlich mit unserem kleinen Gepäck klar? Was fehlte unterwegs, was ist verloren- oder kaputtgegangenen? (Spoiler: Die Liste ist verdammt lang ;-)) Tja, und dann gibt es da noch die Sache mit einem Verehrer aus dem Nahen Osten. Aber diese Geschichte wird erst mit unserer Beamer-Vortragspremiere im neuen Jahr enthüllt.
Also: Ihr werdet noch von uns lesen. Und spätestens im neuen Jahr hoffentlich auch sehen.
Ihr Lieben! Vielen Dank, dass ihr uns so lange begleitet habt!
21 thoughts on “Zurück nach Wattenscheid – zum Ende der Welt?”
Hallo ihr beiden,
habe euren Blog immer gerne gelesen, habe ihn bei Reise-know-how gefunden, unter Back to the roads,
wo ihr mich auch finden koennt (Heike und Charlotte).
Ich wuensche euch ein entspanntes Ankommen und eine wunderbare Zeit nach dem Ankommen, auf dass ich bald mal wieder was neues von euch lesen kann.
Heike
Danke für das Lob. Wir stecken schon wieder tief im Alltag – und die Zeit rauscht schneller an uns vorbei als jemals zuvor. So fehlt noch immer unser persönliches Fazit der Reise, während wir schon an einem Konzept für Lesungen („Dia-Vorträge“) basteln. Es gibt ja noch eine Menge mehr zu erzählen, als wir unterwegs schreiben konnten …
Danke, danke, danke! Es war so toll, euch zu begleiten:-)
Ich wünsche euch ein gutes Ankommen und freue mich schon sehr auf ein Wiedersehen und noch mehr Geschichten.
Liebe Grüße nach nun fast nebenan
Christine
Auch wenn es manchmal nicht leicht war, abends noch zu schreiben und nachts Text und Fotos hochzuladen (was Chrissie so manche Stunde Schlaf gekostet hat) – es hat uns sehr gefreut, dass uns viele Menschen begleitet haben. Neben den Kommentaren hier gab es noch so manche „normale“ Rückmeldung per Mail. Uns hat das in stressigen Situationen neu motiviert, nochmal die iPads „anzuwerfen“. Herzlichen Dank auch dich!
Willkommen zu Hause!
Ach ja, es ist noch keine Ansichtskarte angekommen?!
Manfred
Unglaublich, dass schon drei Wochen seit der Rückkehr vergangen sind! Jede Menge an neuen Aufgaben: Telefon und Internet wieder zum Leben erwecken, das Finanzamt befriedigen, neuen Kühlschrank besorgen, ein paar Ärzte vor dem Hungertod retten, passende Kleidung für die Hochzeit meiner Tochter Katharina besorgen (plus Trip nach Berlin zum Feiern), dem BVB (z. T. vergeblich) die Daumen drücken, jede Menge Besuche bei meinem syrischen Änderungsschneider – und manche Freunde warten noch immer auf einen Terminvorschlag zu einem gemeinsamen Schwätzchen. Gut, dass ich schon Rentner bin … Und die Ansichtskarte? Habe ich im Marmarameer von der Fähre aus als Flaschenpost aufgegeben. Eines Tages landet sie bestimmt in Bochum! 😉
Mit „Rucksack und Rentner um die Welt“ – 7 Monate durften wir Euch mit Eurem Blog begleiten!
Viel haben wir dazugelernt über bisher uns unbekannte Länder und deren Menschen; besondere Wegbegleiter waren Eure Schutzengel!
Wir sagen ganz herzlich „danke“ für Eure Artikel und Fotos, Eure Arbeit und so viele schlaflose Nächte, um das Erlebte so schnell wie möglich weiterzugeben!
Bis zum Schluss ist es aufregend geblieben!
Zum Glück habt Ihr in Ungarn bzw. in der Puszta noch erholsame Tage mit schönen Erlebnissen verbracht!
Dann hieß es nur noch „einsteigen“ in den Zug und Platz nehmen! Geschafft, gesund und munter, pünktlich in Bochum mit der Deutschen Bundesbahn angekommen!
Wir bleiben Euch treu und freuen uns auf alles, was von Euch noch kommt!
Nun seid herzlich willkommen in Eurer Heimat Wattenscheid, aber nicht am „Ende der Welt“, denn hier spielt Euer und unser Leben mit allem, was dazugehört!
Schön, dass Ihr wieder da seid!
Wenn wir Fleißkärtchen oder Treuepunkte vergeben müssten – ihr wäret mit Sicherheit die Sieger! (Zum Trost für alle anderen Getreuen: Rentner haben in dieser „Disziplin“ einen klaren Vorteil – aber auch den muss man erst nutzen.) Besonderen Dank an euch für den wachen Blick auf unsere Wohnungstür, euren Einsatz als Paketstation, den tollen Einsatz als Taxifahrer bei der Abreise und als Empfangskomitee bei der Rückkehr – sowie den anschließenden nächtlichen Sektempfang. Wir hoffen sehr, uns dieser freundschaftlichen Hilfen würdig erweisen zu können. ❤️
Herzlich Willkommen zurück.
Danke, Uwe! Bald sind wir auch wieder fit für die Monatstreffen der literarischen Mordkomplizen!
Willkommen zu Hause! Es war ne lange, lange Reise … – singt Tilmann Rossmy.
Willkommen!
Ich wünsche euch, dass das Ankommen ein schönes für euch ist – eines mit Zeit für ein wenig Kokon und Nachwirken lassen, bevor alles wieder und wieder erzählt erzählt werden will.
Aber vielleicht ist es für euch auch anders besser …
Jedenfalls wünsche ich euch das An- und Willkommen, wie es gut für euch persönlich ist.
Schön war es, mit euch unterwegs zu sein. Danke fürs Teilen.
Ich würde mich sehr auf/über ein Treffen freuen.
Ihr werdet sicherlich viele Menschen treffen und zu tun haben – Reinhard, melde dich doch, wenn es für dich/euch passen sollte.
Alles Liebe,
Bina
Ohne die vielen freundschaftlichen Begrüßungen wäre dies eine besonders traurige Rückkehr gewesen. Schön zu wissen, dass wir nicht allein sind!
Hallo ihr Lieben,
wie schön, dass ihr gesund und wohlbehalten wieder in Wattenscheid seid. Es war für uns immer toll, euch im Blog auf eurer Wahnsinnsreise begleiten zu können. Wir werden ab Mittwoch, den 30. Oktober, auch wieder von unserer Wanderreise in Spanien zurück sein. Wir freuen uns auf Euch!
Liebe Grüße und eine fette Umarmung!
Die fette Umarmung sollten wir bald nachholen! Die ermutigenden Grüße von euch Rucksackprofis haben wir wie einen Ritterschlag empfunden. Gitte als Backpackerqueen – das hat doch was! 👍
Ihr lieben Menschen, willkommen daheim. Schön, dass es euch gut geht und dass ihr heile zurückgekehrt seid. Ganz herzlichen Dank, dass wir an eurer tollen Reise Anteil nehmen durften und die vielen interessanten Eindrücke teilen durften. Lasst es langsam angehen und wir freuen uns auf eure Vortragsveranstaltungen. Lieben Gruß Fritz&Tanja
Danke! Da wir uns unterwegs im Internet grob über die politischen Ereignisse zu Hause und in der Welt informieren konnten, haben wir manchmal davon fantasiert, uns lieber auf irgendeiner einsamen Insel im Pazifik zu verkriechen und unser weiteres Leben im Baströckchen zu genießen. Aber auch da kann man dem „genialen Denker“ Trump nicht entgehen – seit dem 2. Weltkrieg halten die Amis fast jede Sandbank besetzt, auf der ein Kampfflugzeug landen kann. Trump ist sogar „Präsident“ der Marianen … Also müssen wir hier tun, was wir können. Auch dabei sind wir zum Glück nicht allein.
ich kann mich nur anschliessen : willkommen zurück, auch wenn der BVB gegen die blauen mit null toren verloren hat…
ich werd‘ mich bemühen, eine eurer Veranstaltungen zu besuchen 🙂
Mit Asterix könnte man sagen: „Die Blauen? Ich kenne keine Blauen!“ Aber da gibt es ja neben unseren Stiefbrüdern aus Wanne-Eickel West noch ganz andere, die diese Farbe für sich okkupiert haben. Und die machen mir doch mehr Sorgen als die Tabelle der Fußball-Bundesliga. Diese kann ich leider nicht beeinflussen – aber gegen das politische Blau kann man etwas tun.
Willkommen zurück!
Danke für die tollen Reiseberichte!
Schade, dass die Weltreise zu Ende ist!
Gut, dass Ihr gesund zurück seid.
LG Michael
Danke fürs Willkommen! Was die Berichte angeht: Wir müssen erstmal in den Alltag zurückkehren. Und die nächste Reise? Ich habe vor zig Jahren auf einer Tour durch Sibirien einen Achtzigjährigen kennen gelernt, der als einziger in der Reisegruppe immer pünktlich zum Frühstück kam – und sich traute, bei Bratsk ein Bad in der saukalten Angara zu nehmen. Also haben wir noch etwas Zeit – und als Fernziel die Mongolei im Hinterkopf …
Danke für den Gruß! Ein Fazit der Reise wird noch folgen, aber bis zu einer neuen Tour wird es noch dauern. Auf der Liste der Länder, die wir ohne Flugzeug erreichen können, steht auf jeden Fall die Mongolei. Ich werde zwar nicht jünger, bin aber optimistisch. Vor zig Jahren habe ich auf einer Reise durch Sibirien einen Achtzigjährigen kennen gelernt, der nicht nur als einziger Teilnehmer immer pünktlich zum Frühstück kam, sondern bei Bratsk noch in der saukalten Angara gebadet hat. Du siehst – ich habe noch etwas Zeit … 😉