Vom wundersamen Bagan
Wir stoppen irgendwann an einem der Restaurants, die mit vorgekochtem Essen auf die Reisebusse warten. Wie immer ist alles auf den Geschmack der Einheimischen abgestimmt. Wir geben uns zufrieden mit Kaffee und den mitgebrachten Toastscheiben, auf die Chrissie das Fruchtfleisch einer reifen gesalzenen Avocado verteilt. Köstlich!
Der Weg zum Klo ist oft etwas riskant. Steile Stufen, kaputte Planken, glitschiger Schlamm oder Unrat. Aber hier nicht. Er führt direkt an den offenen Türen der Küche und der Schlafräume des Personals vorbei. Ich wage einen Blick. Danke, reicht. Gäbe es hier Ratatouille müsste es mit zwei „t“ auf der Karte stehen. Unglücklicherweise schaue ich einige Schritte weiter auch nach links. Zwei gemauerte Schweinekoben. Auf dem nackten Betonboden liegen jeweils vier oder fünf Tiere: die Augen geschlossen, apathisch aneinander gedrängt. Weder Wasser noch Futter sind in Sicht, unter dem Holzdach herrscht eine unerträgliche Hitze – und kein kühlender Windhauch kann die künftigen Schlachtopfer erreichen. Egal, ob in Deutschland oder hier: die Tiere, die wir gerne essen, haben den gleichen Status wie gelagertes Feuerholz. Ich muss wegschauen und erinnere mich an ein Lied von Reinhard Mey: „Die Würde des Schweins ist unantastbar“
„Sind wir schon da?“
Auf Chrissies Offline-Navi sind es noch mehre Kilometer bis zum Terminal, aber der Fahrer nickt: „You must go out here!“ Und mit einer Kopfbewegung deutet er auf eine halbe Fußballmannschaft von Taxi- und Tuk-Tuk-Piloten, die uns in Sekundenschnelle einkreisen: „They bring you to your hotel.“
Tschüss – der Bus ist weg, unser Gepäck liegt im Dreck und wir werden mit Angeboten überschüttet – jeweils mindestens das Doppelte dessen, was man in Yangon für eine lange Stadtrundfahrt bezahlen müsste.
Schließlich, nach einigen harten Verhandlungen inklusive Straßenseitenwechsel, verladen wir unsere Sachen in ein Tuk-Tuk. 500 Meter freie Fahrt, dann werden wir vor einer riesigen Plakattafel von einigen Uniformierten gestoppt: „Sie müssen hier eine Gebühr zahlen!“
Gebühr?
Der Mann verweist geduldig und in vorzüglichem Englisch auf das Begrüßungsplakat: Auf Anweisung des Ministeriums für Religion und Kultur müssen alle Ausländer für das Betreten der „archäologischen Zone der Stadt Bagan“ ein einmaliges Eintrittsgeld zahlen, das für die Pflege der Kulturgüter verwendet werden soll. Deshalb also wurden wir aus dem Bus geholt …
Chrissie zahlt die 50.000 MMK, wir werden mit einem Spezialapparat geknipst, der sofort eine Quittung mit einem QR-Code ausdruckt. „Wenn Sie kontrolliert werden, wird der Code gescannt und dann erscheint Ihr Foto!“
Ganz schön pfiffig – und für ein armes Land wie Myanmar erstaunlich professionell.
Mit dem Hotel hat Chrissie einen guten Griff getan. Freundliche Räume, Roof Top mit Bar und Swimmingpool, unbegrenzte Mengen an Kaffee in der Vorhalle, Billardtisch und Kicker – und sehr brauchbares Wifi …
Die Sehenswürdigkeiten sind über die gesamte Stadt verteilt. Zu Fuß und angesichts der Hitze eine unlösbare Aufgabe. Eine Fahrradtour scheitert daran, dass der Lenker an meinem Stahlesel nicht exakt eingestellt werden kann – die Kursabweichungen beim Steuern sind mir zu riskant.
Trotzdem sehen wir uns einige verwunschene Bauwerke an. Die meisten haben nicht mal einen Namen, sondern nur eine Nummer.
Überall laden links und rechts der Straße alte verfallene Bauten ein, auf Entdeckungsreise zu gehen. Es scheint, als wüchsen sie überall in dieser Landschaft aus dem Boden, wie geschaffen für Fotografen und Künstler.
Oh, wie nett. Ein persönlicher Park-Ranger. Wenig später bin ich doppelt froh, dass er mitgekommen ist. Dieser Park ist unübersichtlich.
Mein Ranger ist ein netter Kerl. Er hat Frau und zwei Kinder. Er hat Geschichte studiert. Ich ärgere mich, dass es keine Universaltranslatoren gibt. Der Mann hat viel zu erzählen, aber die Verständigung klappt nur mit Händen und Füßen. Keine gute Basis, um in die geschichtlichen Feinheiten einzutauchen.
Eine weniger „happy“ Stunde erlebe ich am nächsten Morgen. Unser Weg soll nach Mandalay führen. Rudyard Kipling hat der Stadt ein Gedicht gewidmet. (https://www.myanmar-discover.de/ueber-myanmar/landesinformationen/road-to-mandalay.html), etliche Musiker – u.a. Robbie Williams – haben die Straße nach Mandalay besungen. Meine Vorfreude ist groß, denn diesmal ist der Weg rückenschonend. Für die Fahrt in die sagenhafte Stadt haben wir Bootstickets besorgt. Start morgens um fünf – in tiefster Dunkelheit. Ankunft abends um acht – lange nach Sonnenuntergang.
Auf Umwegen und durch enge Gassen, die noch in Dunkelheit liegen, erreichen wir die Anlegestelle. Das kann niemals richtig sein, denke ich. Zwischen uns und dem einzigen Boot auf der anderen Seite gluckert genug Wasser, um ein paar Tonnen Homöopathika zu „potenzieren“. Alles was nicht gluckert, sieht nach Schweinesuhle aus.
14 thoughts on “Vom wundersamen Bagan”
Hallo zusammen,
im nächsten Post steht, die Kommentarfunktion ist geschlossen. Ich verfolge Ihre / Eure Tour von Anfang an und freue mich, wenn ich wieder etwas Neues finde.
Alles Gute in Indien.
Ute Backenstoss
Liebe Ute,
erstmal herzlichen Dank für den Hinweis wegen der Kommentarfunktion.
Keine Ahnung, warum die Funktion bei dem Artikel abgeschaltet war. Ich musste eine Weile suchen, konnte die Einstellung dann aber glücklicherweise finden und das Problem beheben.
Liebe Grüße an eine treue Leserin der ersten Stunde 💚
Danke. Wieder einmal ein Dankeschön. Tolle Impressionen…. Ein Sesselfurzer wie ich, der ein WC in der Nähe haben muss, wäre auf einer solchen Reise deplatziert. Ein Radius von 60 km geht noch. Darüber hinaus hätte ich Probleme. Die Sprache. Die Menschen. Parken. Das Essen usw.. Schnitzel, Frikadelle und Eintopf in Griffweite. Ein alkoholfreies Bier, ohne Fussball. Gerade stelle ich fest, wie bescheiden ich bin. Na ja. War gestern beim Finanzamt. Muss Steuern nachzahlen…! Habe wie ihr, leidet weder Reise- noch Fahrtkosten (Ein Schmunzeln). Die grösste Freude bereitet ihr mir immer mit der „Nicht-“ Nachricht, wenn kein Hinweis auf Blessuren auftaucht!!
Apropos: „Veganer“ Käse unterscheidet sich zum „Analogkäse“ wie Angela Merkel zu Helmut
Kohl. Beide gleich… Ich wollte es nur mal angemerkt haben. Für Pizzafreunde und Veganer. ( dicker Smiley) Fragt dazu wissenschaftliche Institute in Deutschland (nicht in Donald-Land)
…Und jetzt „segelt“ eine 16jährige „Jeanne d’Arc“ nach Amerika… Welch Hype!…
Passt auf euch auf. Wenn, demnächst, ihr, daheim, beim Gläschen… Ich werde mich zurücklehnen, trinken und lauschen… Die Vorfreude ist die schönste..
Bis die Tage.
Herbert, wie soll ich all diese Themen abarbeiten? Also: Parkprobleme haben wir nicht. Manche Bewohner von Delhi auch nicht: Die stellen ihr Auto auch mal in die dritte Reihe, um in Ruhe einen Tee zu trinken. Stelle mir manchmal vor, deutsche Polizisten sollten hier den Verkehr regeln. Slapstick vom Feinsten! Ansonsten: Die notwendige Maximalentfernung zum nächsten Klo hängt immer von der aktuellen Lage in Magen und Darm ab. Ich bin eine Woche lang auch nie weit weg geblieben – aber jetzt geht es wieder. Auch sonst nichts Schlimmes. Nur der VfL tut mir leid. Wird ein hartes Jahr. Gruß an euch beide!
Hallo Ihr Zwei da draußen,
die sind ja ganz schön pfiffig die Lokals aus Bagan. Aber was die können……………
Auf Anweisung meiner Regierung (lässt schön grüßen!) und den Ministerien
– für Glück und Wohlstand,
– für Lobbyarbeit und Demokratie,
hängt an unserer Haustür nun ein Begrüßungsplakat, auf dem wir dazu auffordern, mit einer Spende zur Mehrung unseres bescheidenen Wohlstandes beizutragen. Verwunschene Gärten und marode (verwunschene) Bauwerke inclusive (Unsere Stützwand im Garten ist marode und das Hochbauamt sucht verzweifelt nach einer Lösung). Also noch ein Plakat für den Garten vom Ministerium für: keine Ahnung von nix.
Gute Reise!
Habe gar nicht gemerkt, dass euer Haus so brüchig ist. Schon mal bei der Denkmalschutzbehörde nachgefragt? Vielleicht könnt ihr ja demnächst wirklich Eintritt nehmen. Da gibt es doch so tolle Fördermaßnahmen für Existenzgründer! Ich würde sogar auf Facebook für euch werben. 😉 Aber wie auch immer: Hier in Indien würden etliche Leute euch um eure Hütte beneiden. (Ist wahrscheinlich kein wirklicher Trost.) Nicht verzagen – und Grüße zurück!
Hallo, Ihr zwei! Klar, wir sind dabei im Café del Sol! Die erste Runde geht auf uns! Schönes Wochenende in Neu-Delhi und viele Grüße von uns!
Runde 2 und 3 auf uns. Wir freuen uns d rauf!👍👍
Du hast unseren vollen Respekt, die Bar Einheit, und nicht nur wegen des Alters. Was ihr so alles erlebt, finden wir grandios. Weiter so wir freuen uns immer über eure spannenden und lebhaften Berichte. Herzliche Grüße aus Bochum! 🙌
Ach, der Respekt! Übertreibe es nicht! Die Alternative hätte aus einer Schilfhütte am Irrawaddy-Ufer bestanden. 😉
Guten Morgen, Ihr Lieben, aus der Heimat!
Wieder einmal lesen wir eine spannende Frühstückslektüre von Euch!
Wir müssen sagen, Ihr seid sehr mutig, nicht nur im Hinblick auf Drahtesel und Roller!
Aber so seht Ihr viel und habt auch immer wieder tolle Begegnungen mit Mensch und Tier. Die Fotos sprechen für sich!
Besonders gut gefallen uns Eure Dialoge, wenn Eure Meinungen ab und zu mal voneinander abweichen!
Auf dem letzten Foto im Blog sehen wir einen entspannten Reinhard!
Weiter so! Kommt gut am nächsten Ziel an!
PS: Ein neuer „Hotspot“ wird heute in Wattenscheid eröffnet: Café del Sol, gegenüber vom Blumenparadies, Berliner Straße. Für einen Cocktail nach einem schönen Spaziergang über die Felder …. nicht schlecht!
Danke für das Lob! In manchen Situationen heißt es eben: „Augen zu und durch!“ – Mit offenen Augen werden wir aber nach der Rückkehr das neue Café testen. Seid ihr dabei?
Zum letzten Foto kann ich nur sagen: „‚Indiana‘ Junge nach getaner Heldentat!“. Respekt!
Frage mich, ob Indiana Jones bei solchen Aktionen auch so viele Pampers gebraucht hat. 😉