Turtles in Trance
Reinhard:
Noch sind die Hemden und Hosen nicht getrocknet, die wir auf der verregneten Flussfahrt mit Mr. Aji getragen haben, da winkt schon das nächste Abenteuer: die Schildkröteninsel. So fahren wir gar nicht erst zu „unserer “ Orang-Utan Station zurück, sondern verabschieden uns an der Weggabelung von Aji und Mary. Es ist ein merkwürdiger Abschied. Unser Guide freut sich sehr über unser Lob und nach einem Scherz über die Anzahl seiner Söhne sehen wir ihn zum ersten Mal richtig lachen. Er ist stolz auf seine Jungs, das kann man sehen. Und sie alle treten in seine Fußstapfen, wie es scheint. In dieser Stimmung ist das Titelbild des letzten Beitrags entstanden. Ganz anders steht es um Mary. Schon während des Frühstücks merken wir, dass etwas nicht stimmt. Sie redet nicht, ist ganz in ihre Welt versunken. Chrissie fragt sie leise: „Ist alles okay bei dir, Mary?“
Aber Mary sieht nur stumm aus dem Fenster, als hätte sie die Frage überhört. Wir drängen nicht weiter, wenngleich wir spüren, dass es ihr nicht gutgeht. Sie steigt nicht aus, als wir aus dem Wagen klettern. Keine Umarmung, kein „hoffentlich sehen wir uns mal wieder.“ Nur ein müdes Armheben als letzten Gruß. „Hoffentlich ist nichts mit ihrem Bruder passiert“, sagt Chrissie betreten, als wir dem Wagen nachwinken. Diese Hoffnung teile ich, aber meine Holde hat bereits ein Grab Taxi gerufen, das in wenigen Minuten eintreffen wird. Keine Zeit zum Grübeln. Wir lassen uns in der Innenstadt vor dem etwas feineren Sandakan-Hotel absetzen. Chrissie mault schon im Vorfeld: zu teuer, ein anderes Backpackerhostel wäre viel günstiger gewesen, das Frühstück müsse dort nicht extra bezahlt werden und das Haus besitze sogar einen Dachgarten, auf dem ich wunderbar …
Doch ich wische alle Einwände weg – ich möchte endlich mal wieder ein „eigenes“ Klo benutzen. Aber kaum haben wir das in jedem Sinne kalte Foyer betreten, muss ich Chrissie Recht geben. Die Leute an der Rezeption mögen uns nicht: zerknitterte Hemden, Lehmreste an den Schuhen und Hosen gehören nicht zum Stil des Hauses.
Nicht nur deshalb – der Nachmittag gehört der Körper-und Kleiderpflege, abends wollen wir schreiben. Die Lobby im Hotel ist dazu wenig geeignet, also wir ziehen zur Wasserfront hinunter und entdecken ein wunderschönes Café im teuersten Hotel am Platz – mit bequemen, regensicheren Sitzen vor der Tür und ungebremstem Meerblick.
Okay, die Preise sind etwas höher als in unserem Dorfcafé in Höntrop, aber Kellnerinnen und Kellner bedienen uns äußerst zuvorkommend und erkundigen sich zwischendurch sogar dafür, was wir dort treiben. Nur gut, dass dieser Servicepunkt um halb elf Feierabend macht: Anderen Falls würden wir an diesem Abend arm und womöglich die Tour am nächsten Morgen verpassen.
Somit stehen wir pünktlich um zehn vor neun mit unserem gesamten Gepäck im Hafen an einem Anleger für superschnelle Touristenschleudern wie für alte Fischkutter.
Rund 12 Plastiksesselchen, genauso viele orangefarbene Rettungswesten, dazu eine junge Frau mit dickem kinnlangem Haar. Sie stellt sich als Dea vor. Sie wird für die nächsten 24 Stunden unserer Guide für den Besuch der Schildkröteninsel sein. Anhand einer Karte zeigt sie uns, wo die Insel liegt, die wir besuchen werden.
Und dann geht’s los – mit 40km/h über das glatte Meer.
Ich weiß, Schiffsgeschwindigkeiten werden eigentlich in Knoten gemessen – wer möchte, darf die Kilometerangabe gern in Seemeilen umrechnen. Ich bin lieber damit beschäftigt, den Gleitflug über das Wasser zu genießen, mir die Pfahlbauten am Ufer anzusehen und den Wind im Gesicht zu spüren.
Zeitweilig muss man sich schon sorgfältig umschauen, um noch irgendwo einen Fitzen Land oder die verschwommene Silhouette einer Bergkette zu entdecken. Der Rentner gibt sich der Illusion hin, mit einer Nussschale auf dem unendlichen Ozean zu treiben – allein wie „Kapitän Bontekoes Schiffsjungen“.
Kennt ihr nicht? Das ist ein Abenteuerroman für Jugendliche von Johan Fabricius, 1924 auf Holländisch erschienen. Die Jungs können sich nach einem Schiffsuntergang mit einem Floß auf eine indonesische Insel retten – irgendwann im 17. Jahrhundert, als Holland eine maritime Weltmacht war.
In den 1950er Jahren gab es das Buch auch auf Deutsch und ich habe es mindestens fünf Mal gelesen …
Nach einer halben Stunde (Anm. Chrissie: eigentlich waren es 45 Minuten, aber das obige Bild erklärt die Erinnerungslücke ;-)) taucht weit vor uns ein Inselchen aus dem Wasser auf.
Sandstrand mit abgestecktem Bereich zum Baden oder Schnorcheln, sehr viel Grün und einem größeren Holzhaus. Hier sollen wir am Abend zuschauen, wenn eine Schildkrötenmama ihre Eier im Sand ablegt und sie zum Schutz sofort zuschaufelt- das Ausbrüten bleibt dem warmen Sand überlassen …
Knirschend gleitet der Bug des Bootes ein Stückchen auf den Sand, starke Hände helfen dem Rentner und seinen beiden Rucksäcken auf eine kleine hölzerne Landungsbrücke. Wir stehen auf Selingan, einer von drei kleinen Inseln, auf denen es ein vielfältiges Erhaltungsprogramm für Schildkröten gibt.
Das große, vom Meer aus sichtbare Holzhaus enthält ein Restaurant und mehrere Ausstellungsräume, weiter zur Mitte der schmalen Insel gibt es ein paar Holzhütten mit bequemen Schlafräumen.
„Wenn Sie weitergehen, dürfen Sie nicht erschrecken, wenn Ihnen bewaffnete Männer begegnen. Das ist die Grenzwache. Die nächste Insel gehört schon zu Indonesien!“
Auf dem Weg zu unseren Schlafplätzen passieren wir das Kernstück der Insel, das im ersten Moment eher wie ein Soldatenfriedhof aussieht:
Zwei große Felder mit senkrechten Röhren aus grünem Maschendraht, militärisch exakt ausgerichtet – und unter dem Sand befinden sich Nester mit Schildkröteneiern. Die Tiere sollen hier aus der Schale schlüpfen, vor natürlichen Feinden und skrupellosen menschlichen Nesträubern geschützt. Denn trotz des Handelsverbots erzielen Schilkröteneier auf vielen Märkten Südostasiens Rekordpreise.
Mit schlechtem Gewissen erinnere ich mich an meine Kindheit, als mein Vater mit mir gerne in das erste Chinarestaurant von Dortmund ging. Schildkröten- sowie Haifischflossensuppe gehörten damals zu den lukullischen Spezialitäten. Und wir haben beides gerne gegessen.
Klar, vor über 50 Jahren war noch nicht absehbar, dass auch diese Tiere bald stark gefährdet sein würden. In den letzten 30 Jahren hat sich aufgrund dieser menschlichen Vorliebe die Population ium unglaubliche 90% (!!!) reduziert. Damals war niemandem bewusst, dass die Haie massenhaft aus dem Meer gezogen werden – und ohne die bei lebendigem Leib amputierte Rückenflosse hilflos wieder ins Wasser geworfen werden …
Dank „Sea Shepperd“ und anderen Tierschutzorganisationen hat sich das Bewusstsein vieler Menschen inzwischen geändert. Leider noch nicht genug.
Geo Artikel zum Thema „Jagd auf Haie“
Warum unser Leben ebenfalls vom Haibestand abhängt
Schildkröten sind gesetzlich geschützt, Haie – soweit ich weiß – noch nicht, denn Schillerlocken (wusstet ihr, dass das Haifischfleisch ist?) werden auf Märkten immer noch gern angeboten. Und obwohl ich andere „Meerestiere“ immer gern mochte, esse ich höchstens noch zwei Mal im Jahr Fisch. Chrissie findet, das sei immer noch zu viel, denn „was einmal weg ist, kommt nie wieder.“
Aber zurück zu unserer Insel. Wir werden direkt bei der Ankunft mit den wichtigsten Informationen gebrieft. Wo finde ich was auf der Insel? Was dürfen wir? Und was ist verboten? Das Betreten des Strandes und Schwimmen ist nur im abgegrenzten Bereich erlaubt, erfahren wir. Dabei spielt nicht nur die Sicherheit der Gäste eine Rolle. Auch die übers Wasser verlaufende Grenze zu den Philippinen ist verdammt nah. Und die wollen keine unerwarteten Gäste. Außerdem gibt es eine weitere, noch wichtigere Regel. Von 18:00 Uhr am Abend bis um 06:00 Uhr am Morgen ist das Betreten des Strandes ohne Ranger strengstens untersagt. Was für die einen vielleicht deprimierend klingt, freut uns. Denn hier zeigt sich am deutlichsten, worum es im Turtle Island Park geht. Nicht ums große Geld, auch nicht um die Touristen. Von denen werden ohnehin täglich nur 8-10 auf die Insel gelassen, um negative menschlche Einflüsse gering zu halten. Hier sind die Schildkröten, ihr Bestand und Wohlbefinden das Wichtigste. So soll es sein!
Die meisten Touristen gehen mittags und nachmittags noch zum Schnorcheln ins klare Wasser. Chrissie und ich wollten lediglich etwas baden. Ich war recht schnell wieder an Land. Viele Steine im seichten Wasser machten den Weg ins Tiefe zu einem Balanceakt. Zudem entdecke ich eine Menge Getier, das Seeigeln verdammt ähnlich sieht. Meine Schultern sind schon lädiert genug – da will ich wenigstens meine Füße fit halten.
Chrissie hält es länger aus und findet es lustig, dass einige fast durchsichtige gelbe Fischlein ihre Waden streicheln. Doch dann schreit sie auf. Eines der schwimmenden Objekte hat sie tatsächlich angeknabbert. Noch etwas später höre ich den nächsten Aufschrei. „Was ist? Noch ein Piranha?“, spotte ich. Sie sieht blass aus und winkt mich heran.
„Muss das sein?“
Es muss. Ich folge ihr ins klare Wasser. Chrissie zeigt nach unten zwischen unsere Beine, sagt, was sie sieht.
„Bitte?“ Ich muss mich wohl verhört haben. Mein Blick schärft sich, und ich erkenne nun auch, dass das keine Steine sind. Ein Loch öffnet sich im Sand. Direkt neben meinem rechten Fuß. Etwas Graugeflecktes schlängelt sich daraus nach oben. Eins mehr von den Dingern, die schon zu Hauf auf dem Boden liegen. Zwei Sätze, dann bin ich auf dem Trockenen. Ich habe mich nicht verhört. Diese Wesen sehen wirklich aus wie abgestorbene Penisse. Es schüttelt mich.
Vom Baden haben wir nun beide genug. Aber auf den beiden Feldern mit den künstlich angelegten Schildkrötennestern tut sich etwas. Zwei Babys sind geschlüpft und konnten ihrem Schutzgitter unterirdisch entkommen. „Das passiert manchmal, wenn es in der Nacht davor stark geregnet hat. Dann ist es für sie leicht, sich freizugraben.“ Leider hat sie ihr Instinkt auf direktem Weg zum Meer gelenkt. Und zwischen Ihnen und der Freiheit liegt ein großer Maschendrahtzaun. Dort hängt eines der Krötchen nun fest.
Ein junger Mann kommt vorbei. Chrissie zeigt auf eines der Tiere. Ohne zu zögern, bückt er sich und zieht das Kleine aus dem Draht heraus.
„Hey! Wir sollen die Tiere nicht anfassen. Das dürfen nur die Ranger!“
Der Typ runzeln nur die Stirn, dann schnappt er sich das zweite Baby. Wieder protestiert Chrissie. Und nun versteht er.
„Ich bin Ranger“, sagt er lächelnd, sucht dann ein passendes Gehege auf dem Feld und verschwindet.
„Die wollen doch ins Meer. Wieso setzt er sie nicht ins Wasser?“, frage ich.
„Weil die Überlebenschance tagsüber geringer ist. Die Feinde schlafen nicht.“
Nach dem Abendessen um 17:00 Uhr betreten wir einen kleinen Ausstellungsraum mit allerlei Wissenswerten zu den Schildkröten. Wir erfahren, dass auf Selingan hauptsächlich die „Green Turtle“ landet. Ein Skelett gibt es hinter einem Glas zu sehen. Verdammt groß, aber lebend gefallen sie mir besser.
Nach einer kleinen Runde durch den Raum schauen wir gemeinsam einen kurzen Film über die Arbeit der Forscher und Ranger auf den drei Schildkröteninseln. Interessant. Es folgen Aufnahmen von Schildkrötensex unter Wasser. Mehrere Männchen umlagern ein Weibchen. Manch weibliche Schildkröte ertrinkt qualvoll, weil sie nacheinander von den Interessenten unter Wasser gedrückt und begattet wird. Mehrre Stunden kann das dauern. All das täuscht jedoch nicht über die wahren Gefahren hinweg, hören wir. Erodierende Inseln, die nicht genug Standfläche bieten für die Eiablage, natürliche Feinde und – wie sollte es anders sein – der Mensch und seine Gier und Rücksichtslosigkeit.
Dabei haben die Schildkröten es auch so schon schwer genug. Im Schnitt legt eine Schildkrötenmutter um die 100 Eier, die im Sand vergraben werden. Einige Eier werden von Waranen, Ameisen oder Vögeln gefressen. Wenn 50 – 60 Tage später die Babys schlüpfen, erreichen einige nicht schnell genug das Wasser und werden gefressen. Natur. Die verbliebenen Mini- Schildkrötchen schwimmen um ihr Leben im Meer. Weil sie so langsam wachsen, dauert es, bis sie keine leichte Beute mehr sind. Von den geschlüpften Tieren, das weiß man nach vielen Jahren der wissenschaftlichen Bestandsaufnahmen, überleben am Ende nur 1-2 Prozent. Schlechter Schnitt.
Als der Film zu Ende ist, macht sich Aufregung unter den Besuchern breit. Wann geht es los?
„Wir bitten euch, Im Restaurant zu warten, bis ihr abgeholt werdet. Das kann in einer halben Stunde sein oder erst um 22:00 Uhr. Pro Besuchertag stören wir nur eine Schildkröte mit unserer Anwesenheit. Wir wollen sicherstellen, dass die Tiere sich hier sicher fühlen und wiederkommen.“
Klingt sinnvoll, denke ich, während unser Guide weiter übersetzt.
„Während der Ablage der Eier sind die Tiere wie in Trance. Deshalb können die Ranger sich von hinten nähern und die Eier einsammeln, ohne dass sie es merken.“
Licht erschrecke die Schildkröten jedoch. Wenn sie es zu früh entdecken, kommen sie gar nicht erst an Land und drehen ab. Viele hundert ungelegte Eier. Das will niemand. Also warten wir.
Die Insel um unsere Veranda herum ist mittlerweile in tiefes Schwarz getaucht. Alle sind gespannt, richtige Gespräche kommen gar nicht auf. Dann, endlich, das erlösende Signal um kurz nach acht Uhr. Ein älterer Ranger holt uns ab: „Das erste Ei ist gelegt. Seid vorsichtig und leise. Keine Fotos mit Blitz. Und tun Sie nur das, was ich sage. Andernfalls breche ich ab!“
Wir folgen ihm durch die Dunkelheit zum Strand. Mondlicht schimmert auf dem Meer und sorgt für minimale Sicht. Wenige Meter später sehen wir eine Lichtquelle. Ein Ranger hat einen kleinen Scheinwerfer hinter einer Riesenschildkröte aufgebaut. Mein altes Herz taktet etwas schneller, als ich den großen Schatten auf dem Sand sehe. Dann sind wir da. Ganz nah, bilden einen Kreis um das Nest, das sich die Tierkrötenmama bereits geschaufelt hat.
Wahnsinn! Der junge Wildhüter, den wir mittags schon gesehen haben, kniet am Rand. Er hat einen Plastikeimer dabei – und eine Art Kneifzange. Während er vorsichtig die Eier einsammelt, sehen wir, wie weitere Eier in den Sand rutschen. Es herrscht andächtige Stille. Auch mir ist feierlich zumute. Die Schildkröte hat die Augen halb geschlossen und scheint sich auf ihre wichtigste Aufgabe zu konzentrieren.
Ob sie Schmerzen hat beim Legen? Chrissie und die anderen fotografieren. Und ich? Ich scheine der einzige zu sein, der den Moment mit natürlichen Augen einfängt, sich ganz darauf einlässt. Doch dann, ganz plötzlich, ist es vorbei. „She has finished!“ So schnell? Es sind kaum fünf Minuten vergangen.
„51 Eier“, verkündet der Ranger. „Das ist sehr wenig“, erklärt unser Guide. „Aber es gibt einen Grund zur Freude. Diese Schildkröte ist zum ersten Mal hier. Ein neues erwachsenes Tier in unserem Bestand.“
Während dessen schaufelt die Schildkrötenmama mit den hinteren Flossen weiter Sand auf die Ablagestelle – dass die Eier längst in Sicherheit sind, hat sie nicht mitbekommen. Aber nun wird der Scheinwerfer etwas umgestellt.
„Von uns bekommen die Mamas beim ersten Mal eine Marke mit einer Identifikationsnummer unserer Station“, erklärt Dea. „Ihr dürft gern Fotos machen. Die Schildkröte wird auch noch vermessen.“ Dann erläutert sie: „Alle weiblichen Schildkröten sind erst erst nach ca. vier Jahren geschlechtsreif. Sie schwimmen von ihrem Geburtsort hunderte, manchmal mehr als 1000 Meilen weit weg. Aber für ihre Eiablage kehren sie immer an den Strand zurück, an dem sie selbst geschlüpft sind.“
„Und die Männer?“
“Die kehren nie zurück.“
Spannend. Der junge Ranger legt nun wie angekündgt sein Maßband an. Ein Meter vom hinteren Rand des Panzers bis zum Kopf des Tieres, 86 Zentimeter von rechts nach links. Dann schnappt er sich die Zange und eine Metallklemme. „Passport“, sagt er grinsend. Dicht am Panzer werden an der rechten und linken Vorderflosse die Marken angeklemmt. Das weibliche Tier zuckt. Autsch. Das scheint ihr nicht zu gefallen, aber der Vorgang ist schnell vorbei.
Das gilt leider auch für unseren Strandbesuch. „Wir müssen jetzt gehen.“ Ich wäre gern länger geblieben. Aber Turtles first. Das verstehe ich.
Wir folgen Dea und dem Ranger leise bis zu dem Feld mit den vielen Nestern. Die Friedhofsatmosphäre ist im Dunkeln noch deutlicher zu spüren. Doch hier entsteht Leben anstatt zu enden. Ein neues Loch ist hinzugekommen, noch offen, der Drahtkorb liegt daneben. Vorsichtig legt der junge Ranger die Eier in das Nest.
„Wie viele?“
„51“, wiederholt er.
Die Kennnummer der Mutter, das Datum der Ablage und die Zahl der Eier werden auf einen Holzstock geschrieben, der am Rand des Nestes in den Sand gestoßen wird. Dann wird der Schutzkorb aufgestellt.
Das Geschlecht der jungen Schildkröten steht jetzt noch nicht fest“, erfahren wir staunend. „Das passiert erst während der Reifung, die etwa zwei Stunden nach der Ablage der Eier beginnt. Forscher haben festgestellt, dass die Temperatur entscheidend fürs Geschlecht sein kann. Deshalb haben wir ein Feld im Schatten angelegt. Dort werden tendenziell mehr Jungs geboren.“Hammer“, sage ich. Und Chrissie grinst: „Die Jungs sind also Schattenparker.“
„Und trotzdem sind es immer die Weiber, die über kalte Füße jammern“, kontere ich und gehe auf Abstand. Chrissies Ellenbogen können nämlich richtig weh tun.
Doch die Vorstellung ist noch nicht vorbei. Der Chefranger zeigt auf seinen jungen Kollegen. Der hebt gerade eine Faltkiste hoch, in der 15 Minischildkröten herumkrabbeln. Die sollem gleich im Schutz der Dunkelheit in die Freiheit entlassen werden.
„Folgen Sie mir!“
Bis zum anderen Strand der Insel brauchen wir nur wenige Schtitte. Alle versammeln sich – und die Faltkiste wird etwa 2 Meter vor dem Wasser auf die Seite gelegt. Ein Wettlauf beginnt – wie lusttrunken krabbeln alle los. Und in weniger als 15 Sekunden sind alle Tiere im Wasser verschwunden.
Viel Glück, ihr Kleinen. Und lasst euch nicht fressen!
Zum Schluss bieten wir euch noch ein Video, das es eigentlich nicht geben dürfte. Denn Filmen war ja streng verboten. Hüstel. Aber ein paar kurze bewegte Sequenzen sind irgendwie doch auf die Speicherkarte geweht. Sachen gibt’s … 😉
8 thoughts on “Turtles in Trance”
Das Warten auf die Dunkelheit hat sich gelohnt!
Eure Beobachtung einer Meeresschildkröte in Trance bei der Eiablage! Wie aufregend ist das denn?
Allerdings werden wir mit Euch ganz traurig, wenn nur ein so winziger Bruchteil des Nachwuchses eine Chance hat, zu überleben und heranzuwachsen.
Wir sind beeindruckt von dem aktiven Schildkrötenschutz auf der Insel Selingan.
In den letzten 3,5 Monaten haben wir von Euch so viel über uns bisher unbekannte Länder, deren Sehenswürdigkeiten, Eure Begegnungen mit Mensch und Tier sowie Eure Erlebnisse in der Natur und auch über Umweltprobleme erfahren, dafür sagen wir „danke“!
Wir bleiben dabei und grüßen Euch aus dem heißen Wattenscheid!
Gute und sichere Weiterreise!
Es gibt eine Menge zu entdecken – abseits der ausgetretenen Pfade. Und Chrissie hat dafür einen „guten Riecher“ und genug Power. – wir hoffen, dass ihr die Wattenscheider Hitze gut übersteht! Liebe Grüße aus Thailand!
Hoppla, da stolpere ich doch über Reinhards Behauptung, Holland sei einst maritime Weltmacht gewesen?! Die Erfinder der Tulpenmanie und Heimstätte vieler Malermeister einst Weltmacht? Und ich frage mich; wenn unsere Nachbarn einst Seemacht waren und somit auf dem Wasser zu Hause, warum fahren sie dann mit ihren Wohnanhängern über unsere Autobahnen? Und warum vermieten sie Ferienhäuser und nicht Dinge, mit denen sie viel mehr Erfahrung haben, Hausboote zum Beispiel? Oder sind die zahlreichen Boote, die man in Holland mieten-und übers IJsselmeer schippern kann, eine unüberschaubare Armada so genannten „Schläfer“? Das würde bedeuten, dass die Holland-Urlauber deren nächste Seekriegsflotte instand halten? Das wiederum würde erklären, warum die Engländer den Brexit wollen. Warum sollten sie auf Umwegen eine holländische Seekriegsflotten finanzieren, die nicht zum ersten mal gen England segeln würde. Diese Holländer?! Und, danke Reinhard für den Gedankenanstoß zur Aufklärung! Viel Spaß, Erfolg und noch viele tolle Eindrücke.
Das 17. Jahrhundert war Hollands „Goldene Zeit“ – aber nicht unbedingt für die Einwohner der Kolonien in Indonesien, Südafrika und Südamerika. Heute ziehen „die Holländer“ nicht mehr auf Kaperfahrt, sondern zum Urlaub in die „Berge“ nach Brilon oder Winterberg und sichern dort viele Arbeitsplätze. In manchen Restaurants sind die Speisekarten deshalb zweisprachig. Und hin und wieder ziehen sie sogar marode deutsche Fußballvereine wieder aus dem Sumpf. Ist mir deshalb unverständlich, dass so viele deutsche Fußballfans Aversionen haben. Sie fahren doch im Gegenzug im Sommer gerne nach Zeeland, Ameland oder Texel. Finde ich voll in Ordnung.
Peter beneidet euch um eure Turtle-Erlebnisse, denn zu Schildkröten fühlt er sich besonders hingezogen. Als wir auf Hawaii waren, haben ich beim Schnorcheln das Wasser fluchtartig verlassen, weil die Riesenschildkröten mir nicht geheuer waren. Was ihr alles so in den letzten Wochen dicht gedreht gesehen und erlebt habt, erleben andere nicht in ihrem ganzen Leben. Einfach toll!!!
Weiterhin viele tolle Erlebnisse, aber entspannt euch auch mal. 😍
Die Schildkröteninseln sind wirklich ein besonderes Erlebnis. Aber schaut, falls ihr hinfahrt, beim Start in Sandakan nicht zu tief ins Hafenbexken. Da begegnen euch keine lebenden Schildkröten mehr … 😢
Penisfische?
Merke, als Mann niemals in den Amazonas pinkeln, sie schwimmen durch den Strahl in die Harnröhre.
Guckt Euch bitte nochmal nach anderen possierlichen Tierchen um, Steinlaus oder so.
Sebastian
P.S. Bin ab 13.7. für eine Woche in Singapur, ihr auch?
Danke für die Warnungen! Der Amazonas steht zum Glück nicht auf unserer Wunschliste und die größten Flüsse Asiens meiden wir. Der Anblick und das Gluckern solcher Mengen fließenden Wassers können bei alten Männern schon mal harntreibend wirken – und wenn man dann die falsche Lösung wählt … – Nach Singapur kommen wir wahrscheinlich nicht. Aber es soll ja sogar in WAT ganz nette Kneipen geben. 😉