Traue niemals einem aus Marvdasht
„Hi :), At first thanks for choosing my country for your trip. I’m Ali Pascha (Name geändert) and I am 26 years old. I live with my wife and my parents in Fars province, Marvdasht city (40 km far away from Shiraz). (…) My family and I are so hospitable. Md. It would be our pleasure to host you. Hope to see you very soon :). Greetings Ali Pascha“
Perfekt, dachten wir. Dass wir keine 24 Stunden nach unserer Ankunft bei Ali in Marvdasht nicht nur flucht- sondern auch rausschmissartig das Haus verlassen mussten, konnten wir nicht ahnen.
Aber der Reihe nach.
Isfahan liegt bereits hinter uns. Eine Kultur- und Touristenhochburg mit einem Überangebot an Sehenswürdigkeiten, von denen wir die wichtigsten abklapperten. Aber irgendwann waren wir zu müde, um die Schönheit der Moscheen, Plätze, Tempel, Ruinen, Gärten und Denkmäler noch würdigen zu können.
Yazd ist mit 5000 Jahren eine der ältesten Siedlungen der Welt. Bis heute hängen in dieser Wüstenstadt viele Menschen einer uralten Religion an, die sich Zoroastrismus nennt. Marco Polo bewunderte diese Stadt und Dschingis Khan schaffte es nicht, sie zu zerstören.
Ach, wie bequem, mussten die beiden gedacht haben, und nahmen die Gelegenheit wahr. Die Sachsen gaben 400 Euro aus und erhielten dafür dicke Bündel iranischer Rial, die aus den Tüten gezogen wurden wie Werbeflyer, die verteilt werden sollten.
Diese Rechnung wurde aus gegebenem Anlass von Chrissie erstellt ––> https://www.rucksackundrentner.de/2019/02/12/reinhard-schlachtet-das-schwein
Um neun stehen wir endlich zum Auschecken an der Rezeption. Wie immer, wenn man es eilig hat, ist Geduld die höchste Tugend: Vor dem Pult steht ein vietnamesischer Nerd. Er bezahlt in Dollars, das Wechselgeld kommt in iranischem Geld. Der Gast zückt sein Mobiles und tippt los. Offenbar interviewt er seine Wechselkurs-App – und die scheint was anderes zu berechnen als der Hotelmitarbeiter. Eine längere Verhandlung beginnt. Mein Pulsschlag steigt und ich wundere mich, warum Chrissie die Ruhe weg zu haben scheint. Endlich schiebt der Portier einen weiteren Schein über den Tisch – und wir haben freie Bahn.
Alles sieht gut aus. Das Ticket für den Fernbus nach Shiraz ist da. Über unsere Snapp! -Taxi App finden wir nicht nur das Terminal, sondern auch schnell einen Fahrer. Er fragt auf Farsi nochmal nach und wir nennen den Namen der Busstation. Prima, er weiß Bescheid und düst los.
Als ein Abzweig zum Terminal kommt, steuert er geradeaus weiter. Okay, denke ich, diese Straße ist leerer und vor uns muss eine Autobahn liegen. Stimmt. Aber dann, wenige Minuten später, stoppt er vor einem eisernen Tor, hinter dem etliche LKWs parken, und zeigt nach vorn: „Terminal!“
Uns stockt der Atem. Hier wehen lediglich ein paar Steppenläufer durch den Staub zwischen riesigen, schmutzigen Reifen. Wie zur Hölle kann man auf Idee kommen, dass zwei Rucksacktouristen mit einem Lastwagen nach Shiraz fahren wollen?
Die Zeit wird mal wieder knapper, als sie soll, und mir bricht der Schweiß aus. Schaffen wir es noch? Energischer Wortwechsel, dann kapiert er und foltert die glatten Reifen auf heißem Asphalt zum Busterminal. Zehn Minuten vor dem geplanten Starttermin hasten wir mit unserem Gepäck durch die Schalterhalle und suchen unseren Bus. Ein Angestellter schickt uns nach draußen: „Rechts, Startplatz 1.“
Die Bussteige sind nicht nummeriert. Aber wenn man von rechts durchzählt, ist Nr. 1 leer und auf der 2 steht ein Bus mit laufendem Motor. Der Fahrer ruft uns „Izfahan“ entgegen. Danke, da waren wir schon.
Von den wartenden Touristen reagiert auch niemand. Wir sprechen sie an. Sie wollen auch nach Shiraz. Nur der Bus fehlt …
30 Minuten später kennen wir alle wartenden Touries. Und nach 45 Minuten fährt endlich der richtige Bus vor. Bequeme Sitze, Saft und Kekse für alle. Kaffee wäre mir lieber gewesen, aber man kann nicht alles haben. Statt dessen schließe ich für zwei Stunden beruhigt die Augen: Draußen gibt es vorerst nur Wüste zu sehen und passieren kann sowieso nichts mehr. Denke ich.
Nach einem Raststättenstopp zeigen wir dem Fahrer, wo wir aussteigen wollen. An einer Weggabelung. Rechts führt ein Sträßlein nach Marvdasht, geradeaus nach Shiraz. Der Pilot nickt.
Kurz darauf wechselt die Landschaft. Hinter einem Gebirgspass öffnet sich ein weites, grünes Tal. Fantastisch. Und dann stoppt der Bus und wir werden direkt neben der Fahrbahn abgesetzt. Von unserem Host Ali Pascha keine Spur. Aber von unten, gleich neben einer Autobahnunterführung, winkt jemand herauf. Wir klettern und stolpern mit unseren vier Rucksäcken den Abhang hinunter. Ein Taxifahrer. Chrissie zeigt ihm die Mail mit Paschas Adresse. Er nickt, wir fahren los. Eine Schnellstraße mit dem üblichen Bild: Läden und Werkstätten. In Deutschland würde man das ein Straßendorf nennen. Doch diese Ortschaft ist deutlich größer.
Chrissie
[Anm.: Dieser Textteil muss ohne Fotos auskommen. Es war zu beklemmend, um in Marvdasht zu fotografieren]
Drei Minuten lang passiert gar nichts. Zweiter Versuch. Nach weiteren drei oder vier Minuten öffnet sich endlich die Tür. So sieht er also in natura aus, der Herr Pascha. Ein junger Kerl Mitte 20 mustert uns mit verschlafenem Gesicht. Wir lächeln, was das Zeug hält, und stellen uns vor. „Vielen Dank für die Einladung. Das ist so nett. Wir freuen uns, dass wir hier sein dürfen.“
Unwillig blickt er auf. „Ja.“
Nein, nicht mit den Augen rollen! Lächeln. „Aber hier ist doch eins mit deinem Namen.“
„Das gehört dem Nachbarn.“
Das Essen ist fertig. Gebratener Reis mit einem Hauch Safran und Fladenbrot. „Delicious Food“ geht anders. Aber es stört uns nicht. Bauch voll, toll. Ich helfe im Anschluss beim Abwasch und beim Zupfen eines Weidenkorbs voll frischer Minze. Wir glotzen noch etwas iranisches Fernsehen. Pascha spielt lieber Online-Schach, als sich mit uns zu unterhalten. Die Göttin des Hauses verschwindet in den oberen Gemächern, ohne „Gute Nacht“ zu sagen.
Sein Gesicht verfinstert sich. Er habe aber schon einen Mietwagen.
„Können wir den nicht wieder zurückgeben? Wir sind doch noch gar nicht gefahren.“
„Wieviel?“, frage ich, obwohl ich die Antwort kenne.
300 Meter vorm Ziel hält Pascha den Wagen abrupt an. „Hier darf ich nicht weiterfahren.“
8 thoughts on “Traue niemals einem aus Marvdasht”
Ich habe ihn damals unter dem Namen Milad kennen gelernt. Es War genau die selbe Nummer, er lud mich zu sich ein und warf mich nach einer Nacht wieder aus seinem Haus. Ich habe viele anderer Reisende getroffen die ebenfalls nach Marvdasht gelockt wurden um am Ende gleich ein Auto vom „Autoverleih“, angedreht zu bekommen.
Ja, der Besuch in Marvdasht bleibt auch uns unvergessen. Wir haben ebenfalls nach unserem Aufenthalt eine Bekannte wiedergetroffen, die einen merkwürdigen Mailkontakt mit ihm hatte. Da hieß er auch anders und baute richtig Druck auf, dass sie kommen sollte, weil er extra für sie einen Termin verschoben hatte. Zum Glück waren solche Leute die Ausnahme im Iran. Wir haben auch jetzt noch so viele tolle Kontakte aus dieser Zeit und mit unseren Herzensiranern aus Shiraz telefonieren wir jede Woche via WhatsApp …und mittlerweile sogar in gutem Deutsch 😊
Beim Lesen eurer spannenden Erlebnisse wurde uns schon ganz anders. Aber meistens geht dann doch alles gut. Wir drücken euch die Daumen und fiebern mit euch.
Eure Fotos sind traumhaft.
Viele Grüße zum 1. Mai aus Bochum
Euer Lob tut gut! Und keine Bange! Hinterm Horizont geht’s weiter! 🍀
Hallo ihr Lieben,
nach all den wunderbaren Erlebnissen nun das! Ehrlich gesagt, das kennen wir auch. Etliche Male waren wir in Marokko, fühlten uns geborgen und sicher und dann mussten uns doch echt Typen begegnen, die glaubten uns über den Tisch ziehen zu können. Aber glaubt mir, ohne diese Kontraste wäre so eine Reise farblos. Auch wenn es uns damals schwer enttäuscht hat. Heute denke ich anders und auch ihr werdet bestimmt heute schon darüber lachen können. Wir freuen uns schon auf weitere Berichte!!! Peter fragt oft, was die „Rentner“ machen, ob sie sich denn gar nicht mehr melden. Er war vor einigen Jahren auch im Iran, also gibt es da in einigen Monaten ja viel auszutauschen und ich übe schon mal, diese phantastischen Kekse zu backen.
Weiterhin gute Reise! Peter und Annemarie
Wir sind schon lange drüber weg. Ein paar Armleuchter gibt es überall. Und zum Glück auch immer Leute, die helfen. Peters Frage nach den Rentnern beantworte ich gern per Mail. Schickt mir doch zur Sicherheit nochmal Peters Adresse. Ich leite siie dann weiter. HeißeMaigrüße vom Persischen Golf! 🌷
Hallo, Ihr Lieben, viele Grüße in die weite Welt, wo immer auch im Moment seid!
Euer Bericht ist wieder einmal an Spannung nicht zu toppen!
Unterwegs im Iran, ein Erlebnis in einem Land voller Kontraste!
Wie wir bei Google Maps gesehen haben, sind aufgrund der Größe des Irans lange Tages-/Nachtstrecken unvermeidbar. Aber der Weg ist das Ziel, kommt gut am nächsten Ziel an!
Wir verfolgen Euren Weg und freuen uns auf weitere Berichte/Fotos vom Land und seinen Sehenswürdigkeiten, seinen Menschen und natürlich auch von Euch!
Im Moment sind wir auf der iranischen Insel Qeshm-Iland im Persischen Golf – heiß wie die Hölle. Und mehr als einen Tag ohne Internet. Morgen schreiben wir auf, wie wir hierher gekommen sind. Kann aber sein, dass wir das erst übermorgen (vor dem Abflug nach China) hochladen können. Liebe Grüße – bleibt fit!