Meine Top 3 der Dinge, auf die ich vor der Weltreise gern verzichtet hätte
Platz 3:
„Wir sollten die Steuererklärungen doch lieber vor der Reise abgeben“
Sagte Reinhard. Vor ca. zwei Wochen. Jaaa, er hat ja Recht. Für 2017 hatten wir auch erst im Oktober letzten Jahres eingereicht und uns am Ende ziemlich abhetzen müssen, um diesen Termin einzuhalten. Für 2018 hatten wir eigentlich schon wegen der bevorstehenden Reise eine Verlängerung bis Dezember bewilligt bekommen.
Aber war das wirklich eine gute Idee? Heimkommen, versuchen, sich wieder einzufinden, Telefon und Internet neu beantragen, tausende Fotos und Filme sortieren, sich bei allen zurückmelden, Leute treffen, putzen, waschen, einkaufen …
… und in diesem Chaos die Steuererklärung? Und die nächste fast unmittelbar darauf?
Besser nicht! Deshalb stellen wir uns dem alljährlichen Schrecken jetzt.
Quittungen und Rechnungen aus allen Ablagen, Mailkonten, PayPal-Konten, Amazon-Konten sammeln, leise fluchen, Kontoauszüge checken, Einnahmen und Ausgaben tabellarisch erfassen und in ein Holz beißen, wenn mal wieder etwas nicht auffindbar ist.
So hatte ich mir das nicht vorgestellt, einen Monat vor Abflug.
Aber er hat ja Recht, der Reinhard. „Was weg ist, ist weg“, sagt er. Und das sei gut.
Deshalb landet die Steuererklärung auch nur auf Platz 3 meiner TOP-Liste.
Platz 2:
„Das Handy ist weg!“
Drei Tage ist es her, als ich diese Feststellung treffen musste.
Schock!
Das extra für die Reise angeschaffte Smartphone. Mein erstes. Ich hänge eben an meinem dicken Samsung-Kauknochen, das jedem Wetter trotzt. Man kann es auf den Boden pfeffern, unter Wasser tauchen wie früher die Mitschüler beim Schwimmunterricht – und telefonieren kann man damit auch. Sehr lange sogar. Welches der neumodischen touchy Telefone kann man denn noch nach drei Wochen ohne Aufladung nutzen? Richtig: keins.
Trotzdem hat mein geliebtes altes Handy seine Grenzen. Im Internet surfen ist schwierig bis unmöglich. Der Versuch, damit eine Reise zu buchen oder gar eine Internetverbindung freizugeben, gestaltet sich in etwa so einfach wie eine Herz-OP mit Schraubenzieher und heißem Wasser. Es musste also was Neues her.
Ein Schnäppchen, das ich nach langen Recherchen für gut befunden hatte. Ein Xiaomi Redmi 5. ich hatte es schon fertig eingerichtet: mit etwa 40 nützlichen Apps, Dropbox und OneDrive Zugang, dazu kamen ein Virenscanner, Passwortmanager und eine Verschlüsselungssoftware. Als i-Tüpfelchen war eine Anti-Diebstahl-Software installiert; falls ich das Gerät als vermisst melde, ortet die Software, wo es sich befindet. Und es fotografiert denjenigen, der es unbefugt benutzen will.
Vorbereitung ist alles. Dachte ich. Ich geiler Fuchs, ich. Bis das Handy dann weg war.
Kurz zuvor hatte ich bei einem Arzttermin im Wartezimmer ein Hörbuch gehört. Und dann? Hatte ich es bei der Busfahrt noch gehabt? Später bei meinen Eltern? Panik meldete sich an. In der Praxis wusste man nichts. Weder in unserer Wohnung noch bei meinen Eltern war das Handy zu finden. Anrufen? Fehlanzeige. Scheinbar clever war die Lufthansa SIM-Karte, mit der man weltweit günstig surfen und telefonieren kann, vorerst deaktiviert, um nicht versehentlich Guthaben zu verbrauchen. Aber was nutzt die beste Anti-Diebstahl-Software, wenn das Handy sich genau deswegen nicht melden kann? Nix Füchsin … Eselin!.
Wie die Sache ausging, erfahrt ihr nächste Woche. Wenn TOP 1 aus meiner Liste ausgestanden ist.
Platz 1:
„Zahnwurzelkaries! Der Zahn muss raus!“
Ich kriege ja schon Gänsehaut, wenn ich Wörter wie „Zahnfleischtasche“ oder „Zahnhälse“ höre. Wenn Kinder mir ihre Wackelzähne zeigen wollen, bricht mir der Schweiß aus. Meine längst verstorbene Großmutter drückte mir mal ihr Gebiss in die Hand: „Kannst du das mal sauber machen?“ Seitdem weiß ich, was ein Ohnmachtsanfall ist.
Wegen dieser Zahnparanoia tu ich alles, was den Dentisten in Verzückung bringt. Elektrozahnbürste, Interdentalbürsten, Zahnseide. Ich nutze sie alle. Außerdem gehe ich zweimal jährlich zur professionellen Zahnreinigung und lasse dabei alles durchchecken. Vergebens. Solchen Dingen entkommt man genauso wenig wie der Steuererklärung oder dem Tod.
Am Donnerstag (kurz bevor das Handy verschwand!) servierte mir die Zahnärztin nach Auswertung der Röntgenaufnahme die schonungslose Wahrheit über meinen Weisheitszahn. „Den sollten wir so schnell wie möglich ziehen. Danach kann ich erst sagen, ob der Zahn daneben auch betroffen ist.“
Kalter Schweiß. Mein Leben lief rückwärts an mir vorbei. Mein Hirn weigert sich immer noch, die Hiobsbotschaft zu akzeptieren. In drei 3 Tagen, 15 Stunden und ein paar Minuten wird mir ein Zahn gezogen – der erste in meinem ganzen Leben.
Reinhard blieb ziemlich cool. Er zeigte (und zeigt!) zwar das erhoffte Mitleid, sieht den Zahnverlust aber eher mit dem Pragmatismus eines Profis. „Besser jetzt als in der jordanischen Wüste!“ Er hat gut reden. Hat er doch das meiste schon hinter sich. Da kann nicht mehr viel kommen. Aber für mich klingt sein Trost so wie diese Botschaft: Sei froh, dass der Vogel dir nur ins rechte Auge geschissen hat!
Meine Zahnärztin meint, das wäre ein Klacks. Dauert „nur“ etwa 20 Minuten, bis das böse Beißwerkzeug raus ist. Sie weigert sich, mir Vollnarkose zu verpassen. Und einen Lederriemen, mit dem sie mich an den Stuhl fesselt kann, besitzt sie nicht.
Noch drei Tage also bis zum nächsten Update. Fragt mich vorher bitte nicht, ob ich schon Vorfreude auf die Reise verspüre …
2 thoughts on “Meine Top 3 der Dinge, auf die ich vor der Weltreise gern verzichtet hätte”
Bin beeindruckt davon, wie sehr sich unser Reiseverhalten geändert hat. Nun sind sie dahin, die Zeiten, in denen ich euch um eine Postkarte gebeten hätte – jetzt freue ich mich auf’s Blog-Lesen – und dies, obwohl ich es immer noch liebe, Postkarten zu bekommen und zu verschicken. Vermutlich gurkt ihr auch nicht mit dem Magic Bus durch die Gegend, sondern nehmt Flugzeuge? Sei’s drum, der Rucksack bleibt derselbe: unterwegs gehasst ob seines Gewichts, später heiß geliebt, wenn er denn überlebt.
Hi, Astrid, unsere Rucksäcke haben bereits die Azoren, Toronto und Kuba überstanden und sehen noch nicht zu gebeutelt für die nächste Tour aus. Von Land zu Land werden wir wohl meist den Flieger nehmen, aber ansonsten nehmen wir auch gerne Zug oder Bus. Morgen oder übermorgen werden wir erst einmal unsere ersten Packproben dokumentieren können. Bin selbst gespannt, wie wir die 2×8 kg einhalten können. 😉